Enzymverordnung (EG) Nr. 1332/2008
Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme und zur Änderung der Richtlinie 83/417/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates. ABl. L 354, 7-15 (2008)
2008 wurden in der Europäischen Union ca. 1800 Enzympräparte für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche vertrieben. Allein für α-Amylasen gab es mehr als 100 verschiedene Enzympräparate. Die Anzahl der Enzyme kann aber bei einer gewissen Gruppierung (z.B. Funktionsweise oder Herkunft) reduziert werden. Der Enzymmarkt hat auch eine kommerzielle Bedeutung (hier aufgezeigt aus 2008).
Mit dieser Verordnung werden Enzyme, die bei der Lebensmittelverarbeitung Verwendung finden, in der Europäischen Union erstmals einheitlich in reguliert. Hieraus ergeben sich weitreichende Neuerungen:
► Alle Enzyme, die aus technologischen Gründen in Lebensmitteln zugesetzt
werden, unterliegen einer Zulassungspflicht. Die Verordnung gilt
grundsätzlich für alle Lebensmittelenzyme, unabhängig davon, ob sie im
Endlebensmittel aktiv, inaktiv oder gar nicht mehr enthalten sind.
► Die Zulassung erfolgt nach einer Sicherheitsbewertung durch die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem
allgemeinen Zulassungsverfahren .
► Die Kommission erstellt ein Verzeichnis der zugelassenen Enzyme
(Unionsliste), nur diese Enzyme dürfen in Zukunft noch in der
Lebensmittelverarbeitung verwendet werden.
► Regelungen für eine Kennzeichnung werden eingeführt.
► Hersteller und Anwender unterliegen einer Informationspflicht über die
Verwendung der Enzyme.
Die Verordnung gliedert sich in fünf Kapitel:
- Gegenstand der Regelung, den Anwendungsbereich und die Definitionen (Artikel 1 – 3)
- Gemeinschaftsliste (Artikel 4 - 9)
- Kennzeichnung (Artikel 10 – 13)
- Verfahrensvorschriften (Artikel 14 - 16)
- Übergangs- und Schlussbestimmung (Artikel 17 – 24)
In Kapitel 1 werden Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen festgelegt.
Artikel 1 legt fest:
eine Gemeinschaftsliste zugelassener Lebensmittelenzyme
Bedingungen für die Verwendung von Lebensmittelenzymen in Lebensmitteln
Regeln für die Kennzeichnung der als solche verkauften Lebensmittelenzyme
Verordnung gilt für Enzyme, die auf Grund technologischer Zwecke - Funktionen bei / für die Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Lagerung Lebensmitteln zugesetzt werden (Art. 2.1).
Die Verordnung gilt für alle Lebensmittelenzyme / Lebensmittelenzym-Zubereitungen, die den Definitionen (Begriffsbestimmungen) nach Artikel 3 entsprechen. Ein Lebensmittelenzym ist definiert als
● ein Erzeugnis, das aus Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen oder daraus hergestellten Erzeugnissen gewonnen wird; dazu
gehört auch ein Erzeugnis, das durch ein Fermentationsverfahren mit Mikroorganismen gewonnen wird,
● ein Enzym oder mehrere Enzyme enthält, die die Fähigkeit besitzen, eine spezifische biochemische Reaktion zu katalysieren,
● einem Lebensmittel zugesetzt wird, um auf jeder Stufe der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung,
Beförderung oder Lagerung von Lebensmitteln einen technologischen Zweck zu erfüllen.
Eine "Lebensmittelenzym-Zubereitung" stellt eine Formulierung von einem oder mehreren Lebensmittelenzymen dar,
● der Stoffe wie beispielsweise Lebensmittelzusatzstoffe und/oder
● andere Lebensmittelzutaten beigemischt sind, um die Lagerung, den Verkauf, die Standardisierung, die Verdünnung oder
die Lösung der Lebensmittelenzyme zu erleichtern.
Entsprechend den Begriffsbestimmungen sind nach Artikel 2 vom Geltungsbereich nur solche Enzyme ausgenommen, die ausschließlich zur Herstellung von Lebensmittelzusatzstoffen gemäß VO (EG) Nr.1333/2008 (11) oder von Verarbeitungshilfsstoffen dienen. Ebenso sind Enzyme ausgenommen, die zu anderen als technologischen Zwecken verwendet werden, z. B. in Nahrungsergänzungsmitteln.
Mit dieser Verordnung werden nun in der EU drei Klassen von Enzymen unterschieden und unterschiedlich geregelt:
Enzyme, die nicht im Lebens- oder Futtermittelbereich eingesetzt werden(unreguliert)
Enzyme, die im Lebensmittelbereich Verwendung finden --Lebensmittelenzyme
Enzyme, die im Futtermttelbereich und in der Tierernährung eingesetzt werden -- Futtermittelenzyme
Die Begriffsdefinitionen „Lebensmittelenzym“ und „Lebensmittelenzym-Zubereitung“, insbesondere im Englischen „food enzyme“ und food enzyme preparation“ sind aus wissenschaftlicher Sicht unglücklich gewählt und können leicht zu Verwirrungen führen. Ein Lebensmittelenzym beinhaltet fast nie nur eine einzige Substanz, nämlich das reine Enzymprotein. In den meisten Fällen stellt ein Lebensmittelenzym eine Mischung unterschiedlichster Substanzen dar, die sich aus dem Produktionsverfahren ergeben. In der Regel ist es ein Isolat aus den Produktionsorganismen bzw. der Fermentationsbrühe. Es ist im wissenschaftlichen Sinne ein Enzympräparat.
Kapitel 2: Gemeinschaftsliste - Unionsliste
Für Lebensmittelenzyme erstellt die Kommission eine Gemeinschaftsliste. Nur Lebensmittelenzyme finden Eingang (Art. 4), die die oben genannten Grundvorsetzungen erfüllen. Nur die in der Gemeinschaftsliste aufgeführten Enzyme dürfen in Zukunft in Verkehr gebracht und verwendet werden. Dies bedeutet aber auch, dass Lebensmittel, die mit nicht aufgeführten Lebensmittelenzymen verarbeitet bzw. hergestellt worden sind, ihre Verkehrsfähigkeit verlieren (Art. 5).
Für die Aufnahme in das Verzeichnis gelten vergleichbare Bedingungen wie für die Zulassung von Zusatzstoffen (Art. 6):
● Das Lebensmittelenzym ist bei der vorgeschlagenen Dosis für den Verbraucher gesundheitlich unbedenklich, soweit die
verfügbaren wissenschaftlichen Daten ein Urteil hierüber erlauben,
● es besteht eine hinreichende technologische Notwendigkeit und
● durch seine Verwendung wird der Verbraucher nicht irregeführt. Die Irreführung des Verbrauchers kann Fragen im
Zusammenhang mit der Beschaffenheit, Frische und Qualität der verwendeten Zutaten, der Natürlichkeit eines Erzeugnisses
oder des Herstellungsverfahrens oder dem Nährwert des Erzeugnisses betreffen, ist aber nicht darauf beschränkt (Art. 6).
Die Aufnahme von Enzymen in die Gemeinschaftsliste erfolgt nach dem in der VO (EG) Nr. 1331/2008 vorgesehenen Verfahren. Die Liste wird für ein Lebensmittel Informationen u.a. zur Bezeichnung, Spezifikation, Reinheit oder den Verwendungsbedingungen für das Lebensmittelenzym enthalten (Art.7).
Anträge zur Aufnahme eines Lebensmittelenzyms in die Gemeinschaftsliste müssen innerhalb von 24 Monaten nach Veröffentlichung der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung gestellt werden (siehe auch Abbildung 1). Die Lebensmittelenzyme müssen durch die EFSA sicherheitsbewertet werden und bei einer positiven Bewertung erfolgt die Eintragung in die Gemeinschaftsliste durch die Kommission. Die bisher nach EU-Recht zugelassenen Enzyme für Lebensmittel und Wein werden in das Verzeichnis aufgenommen.
Kapitel 3: Kennzeichnung
Für Lebensmittelenzyme werden erstmals einheitliche Regelungen für die Kennzeichnung festgelegt. Hierbei wird unterschieden – wie auch in anderen Verordnungen – zwischen den Kennzeichnungsverpflichtungen bei einer Abgabe an Endverbraucher und an Weiterverarbeiter bzw. Lebensmittelproduzenten.
Zusätzlich muss bei Mischungen von Lebensmittelenzymen oder –zubereitungen mit anderen Lebensmittelzutaten eine Liste aller Zutaten in absteigender Reihenfolge ihres Anteils am Gesamtgewicht angegeben werden. (Art. 11 Abs. 2). Bei Lebensmittelenzym-Zubereitungen ist ebenfalls auf der Verpackung eine Liste aller Bestandteile in absteigender Reihenfolge ihres Anteils am Gesamtgewicht anzugeben (Art. 11 Abs. 4).
Bei Abgabe des Lebensmittelenzyms oder der Zubereitung direkt an den Endverbraucher gelten die allgemeinen Kennzeichnungsverpflichtungen. Zusätzlich dazu muss auf der Verpackung die Bezeichnung des Lebensmittelenzyms bzw. eine allgemein für das Enzym akzeptierte Nomenklatur sowie die Angabe „für Lebensmittel“ oder „für Lebensmittel, begrenzte Verwendung aufgeführt werden (Art. 12).
Lebensmittelenzyme, die im verzehrfertigen Lebensmittel keine Funktion mehr ausüben, sind danach von einer Kennzeichnungspflicht auf Verbraucherpackung ausgenommen. Andere Enzyme müssen, wie gehabt, aber deklariert werden.
Lebensmittelenzyme aus gentechnisch veränderten Organismen unterliegen nur dann der Kennzeichnungspflicht, wenn sie unter den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr.1829/2003 (12) fallen. Lebensmittelenzyme, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen wurden und diese nicht mehr enthalten, müssen nicht separat ausgewiesen werden.
Bei der Kennzeichnung von Lebensmittelenzymen in der Zutatenliste hat sich für den Endverbraucher nichts Grundsätzliches geändert (17). Weiterhin werden nur solche Lebensmittelenzyme aufgelistet, die im Endlebensmittel noch eine Funktion erfüllen, d.h. enzymatisch aktiv sind. Ebenso unterliegen Enzyme, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen werden, weiterhin keiner Kennzeichnung.
Kritisch zu hinterfragen, ist hier allerdings die komplette Auflistung der Enzyme in Lebensmittelenzym-Zubereitungen in absteigenden Anteil des Gesamtgewichtes. Hier müssen quasi Rezepturen offen gelegt werden. Gerade bei solchen Enzymmischungen, z.B. Backmischungen, stellt das besondere Mischungsverhältnis, oder besser ausgedrückt der Anteil der unterschiedlichen Enzymaktivitäten den wirtschaftlichen und verarbeitungstechnischen Vorteil gegenüber einem Konkurrenzprodukt dar. Die Offenlegung solcher Betriebsgeheimnisse durch gesetzliche Kennzeichnungsvorschriften dient sicherlich nicht dem Marktgeschehen und bringt auch keine zusätzlichen Sicherheiten für den Verbraucher. Die in den Lebensmittelenzym-Zubereitungen enthaltenen Enzyme sind bereits sicherheitsbewertet. In diesem Punkt (Art.11 Abs.2 u. 3) sollte die Kennzeichnungsvorschrift nochmals überdacht werden
Kapitel 4: Übergangsvorschriften
Nach Artikel 14 haben Hersteller oder Verwender von Lebensmitteln eine Informationspflicht. Jegliche Änderungen, die die Sicherheit
eines Lebensmittelenzyms betreffen oder neue wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Sicherheit bzw. Sicherheitsbewertung eines Enzyms sind unverzüglich der Kommission mitzuteilen. Dies gilt auch für bereits zugelassene bzw. in die Gemeinschaftsliste aufgenommene Lebensmittelenzyme.
Grundsätzlich erfolgt die Zulassung nach dem in der Verordnung zur Festlegung eines einheitlichen Zulassungsverfahrens für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und –aromen festgelegten Vorgehen.
Nach VO (EG) Nr. 1331/2008 muss die EFSA Leitlinien zur Dossiererstellung innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten (also bis spätestens zum 20 Juli 2009) erstellen.
Durchführungsverordnung 562/2012
► DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 562/2012 DER KOMMISSION vom 27. Juni 2012 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 234/2011 der Kommission im Hinblick auf spezifische Daten für die Risikobewertung von Lebensmittelenzymen. ABl. L 168, 1-22 vom 28.06.2012
In der ► VO (EU) Nr. 234/2011 wurden Vorgaben für die Erstellung von Anträgen für die Zulassung von Lebensmittelaromen, -enzymen und -zusatzstoffen gemacht. In Artikel 5 werden allgemeine Vorgaben von Daten zur Risikobewertung aufgelistet und in Artikel 8 die speziellen notwendigen für Lebensmittelenzyme. Bei der Durchsicht von eingereichten Anträgen und bei Diskussion zur Sicherheitsbewertung von Lebensmittelenzymen zeigte sich, dass die Vorgaben aus VO (EU) Nr. 234/2011 in einigen Punkten modifiziert werden sollten. Diese bezieht sich vorwiegend auf Lebensmittelenzyme, die aus Mikroorganismen mit dem Status der qualifizierten Sicherheitsannahme (QPS-Status), gewonnen werden und auf Enzyme, die aus essbaren Teilen von Pflanzen und Tieren stammen. Dies wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 562/2012 in Art. 1, Abs. 2 beachtet und bei diesen Lebensmittelenzymen kann auf toxikologische Untersuchungen verzichtet werden. Entsprechend Art. 1, Abs. 5 können Lebensmittelenzyme unter bestimmten Voraussetzungen gruppiert werden. Diese Erleichterungen gelten jedoch in keinem Fall für Lebensmittelenzyme, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen gewonnen werden.
Zugelassene Enzyme:
Richtlinie Nr. 95/2/EG über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel. Amtsblatt L 61, 1 ff (1995) mit Ergänzungen
Verordnung 1493/1999/EG über die gemeinsame Marktorganisation für Wein, Anhang IV. Amtsblatt L 179, 1 ff (1999) mit Ergänzungen
Richtlinie 2001/112/EG über Fruchtsäfte und bestimmte gleichartige Erzeugnisse für die menschliche Ernährung, Anlage 4 B. Amtsblatt L 10, S. 58 (2002)
European Food Safety Authority (EFSA), 2021. EFSA statement on the requirements for whole genome sequence analysis of microorganisms intentionally
used in the food chain. EFSA Journal 2021;19(7):6506, 14 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2021.6506
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EFSA BIOHAZ Panel (2018): Statement on the update of the list of QPS- recommended biological agents intentionally added to food or feed as notified to EFSA 7: suitability of taxonomic units notified to EFSA until September 2017. EFSA Journal 2018;16(1):5131, 43 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2018.5131
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2018.5131
EFSA BIOHAZ Panel (2022): Statement on the update of the list of QPS-recommended microbiological agents intentionally added to food or feed as notified to EFSA 16: Suitability of taxonomic units notified to EFSA until March 2022. EFSA Journal 2022;20(7):7408, 38 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2022.7408
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.2903/j.efsa.2022.7408
BIOHAZ Panel (2023): Scientific Opinion on the update of the list of qualified presumption of safety (QPS) recommended microorganisms intentionally added to food or feed as notified to EFSA. EFSA Journal 21 ( 1): 7747, 23 pp.
| https://doi.org/10.2903/j.efsa.2023.7747
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2023.7747
BIOHAZ Panel (2023) Statement on how to interpret the QPS qualification on ‘acquired antimicrobial resistance genes’ EFSA Journal, 21 (10), 1–13 | https://doi.org/10.2903/j.efsa.2023.8323
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2023.8323